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  • Lena

Das Vermächtnis meines Vaters


Das Leben ist das wertvollste Geschenk, das uns gegeben wird. Und gleichzeitig auch das verletzlichste.

„Ich will noch leben“, das waren die letzten Worte meines Vaters in einem unserer letzten Telefonate. Genau eine Woche danach kam sehr unerwartet eine traurige Nachricht über seinen Tod. „Hatte er eine Art der Vorahnung?“, frage ich mich heute. Leider hat er sein Leben nicht immer geschätzt. Paradoxerweise bekommt man sehr starke Lebenslust erst kurz vor dem Ende… Wie traurig. Er hätte noch mehrere Jahre leben können und er hätte sein ganzes Potenzial mehr entfalten können. Vielleicht wäre er dann selbst viel glücklicher gewesen. Wäre das so gewesen? Auf diese Frage gibt mir keiner eine Antwort mehr.

Ende November wurde mein Vater aus dem Leben gerissen. Ich bin sofort nach Kiew geeilt, um ihn auf seiner letzten Reise zu begleiten. Schock, Traurigkeit und Schmerz vermischten sich in meinem Herzen. Die Tage in meiner Heimat waren eine heilende Zeit, in der ich viel nachgedacht habe. Meine Beziehung zu meinem Vater war nicht immer einfach und nicht immer von der Nähe geprägt. Aber jetzt spüre ich, dass er viel näher ist. Und ich spreche gedanklich mit ihm. In meiner Erziehung hatte meine Mutter die aktive Rolle übernommen. Das hat sich so ergeben, weil mein Vater der Meinung war, dass sich nur einer der Elternteile mit der Erziehung beschäftigen soll, und diese Aufgabe gerne an meine Mutter übergeben hat. Deshalb habe ich nur sehr selten eine Papa-Tochter Zeit erlebt. Genau genommen nur einmal in einem gemeinsamen Urlaub, als ich sieben Jahre alt war. Dafür war das ein sehr schönes Erlebnis, das den stolzen ersten Platz auf meiner Dankbarkeitsliste einnimmt.

Aber mein Vater hat sich auch auf seine passive Art und Weise in meine Erziehung und damit in die Entwicklung meiner Persönlichkeit eingebracht. Dafür bin ich ihm sehr dankbar. Die Handlungen meines Vaters führten oft zur Anspannung und Streitigkeiten zwischen meinen Eltern. Meine Mutter bedauerte immer die Auswirkungen solcher Szenen auf das Kind. Ich bin aber der Meinung, dass dies mich auf jegliche Schwierigkeiten im Leben vorbereitet hat und in mir auch Resilienz gefördert hat. Als Überlebensstrategie habe ich in mir einen unermüdlichen Optimismus entwickelt, das mir immer in schwierigen Situationen hilft.

Zugegeben ist die Erziehung mit positiven Beispielen und Vorbildern vielleicht schöner, aber manchmal können negative Beispiele viel effektiver sein. Das ist zwar sehr traurig, aber im Grunde genommen hat mein Vater mit seinem Leben mir eine sehr wichtige Lektion gegeben – wie man sein Leben nicht leben soll.

Dank der Transformation formuliere ich sein Vermächtnis an mich folgenderweise:

1. Schätze das Leben und genieße jeden Augenblick, denn das Leben ist zu kurz und kann in jedem Augenblick enden.

2. Höre nie auf, dich immer weiter zu entwickeln.

3. Behalte immer deine Neugier und deinen Wissensdurst.

4. Entdecke immer etwas Neues im Leben und auf der Welt auch im hohen Alter.

5. Schöpfe dein Potenzial und deine Talente aus. Diese sind dir nicht umsonst gegeben.

6. Nutze alle Chancen, die sich in deinem Leben ergeben.

7. Behalte für immer deine Begeisterungsfähigkeit.

8. Gib nie auf.

9. Lass dich nie von irgendwelchen Schwierigkeiten unterkriegen.

10. Leben ist vielseitig. Behalte Balance zwischen verschiedenen Lebensbereichen: Familie, Job, Hobbies, persönliche Entwicklung etc. Verbeiße dich nie nur in einen der Lebensbereiche, so dass du alle anderen außer Acht lässt.

11. Schätze Deine Familie und verbringe bewusst wertvolle Zeit mit Deinen Lieben.

12. Behandle alle Menschen mit Respekt.

13. Pflege Beziehungen zu deinen Freunden und Familie und investiere deine Zeit darin.

14. Kommunikationskompetenz ist eine wahre Stärke.

15. Hilf Menschen immer, wenn sie deine Hilfe brauchen.

16. Interessiere dich für andere Menschen, sei empathisch und zeige großes Mitgefühl.

17. Sei zuverlässig und halte Dein Versprechen.

18. Sei nie arrogant oder überheblich.

19. Laufe nie von Problemen weg, sondern löse diese und wachse daran.

20. Nimm Hilfe an. Du musst nicht immer alles allein lösen.

21. Hilfe zu bitten, bedeutet nicht Schwäche, sondern Stärke.

22. Führe gesunde Lebensweise.

23. Vorsorge ist besser als Nachsorge.


Diesen Prinzipien folge ich schon sehr lange. Wahrscheinlich habe ich unbewusst diese Lektionen schon als Kind aufgenommen. Aber so zusammengefasst und auf den Punkt gebracht habe ich diese noch nicht. Jetzt fasse ich sie unter dem „Vermächtnis meines Vaters“ zusammen.

Mein Vater hatte keine einfache Kindheit in der Nachkriegszeit, einige Schwierigkeiten im Leben haben ihm zu schaffen gemacht und er konnte sich nicht mit dem Zerfall der Sowjetunion und dem Anfang der neuen, sehr herausfordernden Zeit abfinden. So kommen mehrere Faktoren zusammen, die das Leben eines Menschen zu einer Tragödie machen.

Aber er hatte viele gute Eigenschaften: Ehrlichkeit, Anständigkeit, Stolz. Er war nie niederträchtig und litt sehr darunter, dass er selbst aber oft von solchen Menschen umgeben war. Außerdem war er nie nachtragend. Ich bin ihm sehr dafür dankbar, dass ich seine positiven Eigenschaften erben durfte.

Vielleicht habe ich das nicht oft gesagt, als er noch am Leben war, aber in unserem innerlichen Dialog bedanke ich mich bei meinem Vater für alles, was er mir mitgegeben hat – sowohl aktiv, als auch passiv.


Lieber Papa, ruhe im Frieden, pass auf dich auf und wir sehen uns eines Tages wieder. Aber bis dahin möchte ich noch viele Jahre leben und mein Potenzial ausschöpfen.


In Liebe,

deine Lena


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